19. Sonntag nach Trinitatis

Hausaltar 1875 - Pastor Richard Kober

19. Sonntag nach Trinitatis. Morgens.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes. Amen.

 

Melodie "Valet will ich dir geben"
Wach auf, wach auf, verachte Die Welt und ihren Tand! Auf, auf, mein Geist betrachte, Wie ist's mit Dir bewandt? Denn ihre Lust vergehet, und folget großes Leid; Im Gegenteil bestehet Ein Christ in Ewigkeit. Du bist von Gott gebildet, Zu seiner Ähnlichkeit, Nun aber ganz verwildet Und voller Sicherheit. Auf, auf, die Zeit verschwindet und Alles mit der Zeit! Wer hier nicht überwindet, Bleibt in der Dienstbarkeit.

Epistel:
Epheser 4, 22-28
So leget nun von euch ab, nach dem vorigen Wandel, den alten Menschen, der durch Lüste in Irrtum sich verderbet. Erneuert euch aber im Geist eures Gemüts; und ziehet den neuen Menschen an, der nach Gott gesschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit. Darum leget die Lügen ab und redet die Wahrheit, ein Jeglicher mit seinem Nächsten, sintemal wir unter einander Glieder sind. Zürnet und sündiget nicht; lasset die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen. Gebt auch nicht Raum dem Lästerer. Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit den Händen etwas Gutes, auf daß er habe, zu geben dem Dürftigen.

Der alte Mensch ist der, seit dem Sündenfalle Adams in Sünden geborene Mensch; der neue Mensch dagegen ist der, in der heiligen Taufe durch den heiligen Geist wiedergeborene Mensch. Durch die Wiedergeburt wird nun zwar die Macht des alten Menschen gebrochen, aber nicht ganz ertötet; diese völlige Ertötung bleibt die Aufgabe der auf die Wiedergeburt folgenden Heiligung, die sich durch das ganze irdische Leben hindurchzieht. Die Heiligung besteht einerseits in einem fortwährenden Ablegen des alten Menschen, und andrerseits in einem fortwährenden Anziehen des neuen Menschen. Es versuchen Viele, den neuen Menschen über den alten anzuziehen; sie scheuen den Kampf der Buße, der in dem Ablegen des alten Menschen besteht; sie wollen ihre natürliche, sündige Natur unangefochten lassen und denken genug zu tun, wenn sie sich vor den Tatsünden hüten. *Vergebliches Bemühen!* Unsre uns angeborne, sündige Natur ist ja die Quelle aller Tatsünden. Wenn also die Quelle nicht verstopft wird, wie will man sich den Tatsünden erwehren? Man kann ein neues Kleid nicht über ein altes Kleid anzichen; das neue Kleid paßt nur, wenn das alte zuvor abgelegt worden ist. So leget nun von euch den alten Menschen, nun, nachdem der neue Mensch in Christo vorhanden ist, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit. Wir haben uns erst von Grund aus, im Geiste unsers Gemütes, zu erneuern, dann wird's gelingen, die Lügen abzulegen und als Glieder EINES Leibes die Wahrheit zu reden; dann wird's gelingen, zu zürnen, und doch dabei nicht zu sündigen; dann wird's gelingen, Teufel, der ein Lästerer ist, nicht Raum zu geben; dann wird's auch gelingen, nicht zu stehlen, sondern zu arbeiten und Gutes zu schaffen, auf daß wir haben, zu geben den Dürftigen.

Lasset uns beten:
Allmächtiger, gnädiger Gott und Vater,
wir dürfen heute unsre Arbeitskleider ablegen und die Feierkleider des Sonntage anziehen. Hilf Du uns nun, daß wir das, was wir leiblich tun, auch geistlich tun mögen und es nicht versäumen, den alten Menschen von uns abzulegen, der durch Lüste in Irrtum sich verderbet, und anzuziehen den neuen Menschen, der nach Dir geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit. Es würde ja auch das schönste Sonntagskleid, das wir unserm Leibe anziehen, vor Dir nichts taugen, wenn es noch den alten Menschen bedeckte. Darum hilf uns, daß wir ganz neu werden im Geiste unseres Gemüts durch den heiligen Geist. Dazu segne uns in Gnaden diesen Sonntag und bereite unsre Herzen, daß der heilige Geist in uns Raum und Zugang finde, durch das Wort, das heut gepredigt wird, sein Erneuerungswerk in uns vollbringen zu können. Es haftet noch viel sündliche Lust an uns: der alte Mensch quält uns noch. Die Lüge ist noch nicht ganz von uns abgetan. Wir zürnen oft noch fleischlich und sündigen daher im Zorn; wir zürnen auch noch nicht genug über unsre Sünden, wir zürnen überhaupt noch zu wenig über die Sünde, und wenn wir zürnen, vergessen wir des Vergebens. Wir geben noch so oft Raum dem Teufel, der am Lästern seine Lust hat. Wir sind noch neidisch über das Wohlergehen Anderer und sind müßig und träge wo wir arbeiten und Gutes schaffen könnten, um auch für die Dürftigen eine Gabe übrig zu behalten. Oh HErr, Du siehst, wie viel vom alten Menschen noch an uns ist. Hilf uns davon, auf daß wir als neue Menschen vor Dir stehen und wandeln mögen, durch Jesum Christum, unsern HErrn und Heiland. Amen.

Das Vater-Unser.
Der Segen.

Ach, mache Herz und Sinnen, Oh Gott, von allem frei.
Und gib, daß mein Beginnen Aufwärts gerichtet sei! Die Welt kann doch nichts geben, Das wahre Ruhe brächt'; Wer Dich zur Ruh' und Leben Erwählet, der trifft's recht.



19. Sonntag nach Trinitatis. Abends

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes. Amen.

Melodie "Jesu, der Du meine Seele"
Liebster Jesu, in den Tagen Deiner Niedrigkeit allhier Hörte man zum Volk Dich sagen: Es geht eine Kraft von mir. Lass auch Deine Kraft ausfließen Und sich Deinen Geist ergießen, Da Du in der Herrlichkeit nun regierest weit und breit! Denn Dir ist in Deine Hände Nun gegeben alle Macht; Bis an aller Welt ihr Ende Wird Dein Name hochgeacht't; Alles muß sich vor Dir neigen, Und was hoch ist, muß sich beugen, Selbst der letzte Feind auch muß Endlich unter Deinen Fuß.

Evangelium:
Matth. 9, 1-8
Da trat er in das Schiff und fuhr wieder herüber, und kam in seine Stadt. Und siehe, da brachten sie zu ihm einen Gichtbrüchigen, der lag auf einem Bette. Da nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gichtbrüchigen: Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben. Und siehe, etliche unter den Schriftgelehrten sprachen bei sich selbst: Dieser lästert Gott. Da aber Jesus ihre Gedanken sah, sprach er: Warum denkt ihr so Arges in euren Herzen? Welches ist leichter zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben; oder zu sagen: Stehe auf und wandele? Auf daß ihr aber wisset, daß des Menschen Sohn Macht habe, auf Erden die Sünden zu vergeben, sprach er zu dem Gichtbrüchigen: Stehe auf, hebe dein Bette auf und gehe heim. Und er stand auf und ging heim. Da das Volk das sah, verwunderte es sich und pries Gott, der solche Macht den Menschen gegeben hat.

In seine Stadt fuhr der HErr Jesus auf einem Schiffe über das galiläische Meer, nachdem er am jenseitigen Ufer in der Gegend der Gergesener zwei Besessene geheilt hatte. Die Stadt Capernaum wird seine Stadt genannt, weil er sich hier hauptsächlich aufhielt während seiner galiläischen Wirksamkeit. Kaum aber ist er in Capernaum in seine Herberge getreten, so bringen sie zu ihm einen dem Bette liegenden Gichtbrüchigen getragen, daß er ihn heile. Wegen der Menge Volks aber, so berichten Markus und Lukas, konnten sie den Gichtbrüchigen nicht durch die Tür tragen; sie trugen ihn daher von Außen über die äußere Treppe auf das Dach, und nachdem sie das Dach durchgraben hatten, ließen sie den Kranken mit Seilen hernieder, dass er zu den Füßen Jesu zu liegen kam. Da sah Jesus sowohl den Glauben des Gichtbrüchigen, als auch den Glauben derer, die diesen gebracht hatten. Der Glaube des Gichtbrüchigen war aber nicht der Glaube des großen Haufens. Er war auf seinem Siechbette zu der Erkenntniß gekommen, daß sein leibliches Elend ein wohlverdientes Strafgericht für seine Sünde sei, und diese seine Sünde schmerzte ihn jetzt mehr, als sein leibliches Leiden. Mehr die Sehnsucht, von seiner Sünde, als von seinem leiblichen Leiden heil zu werden, trieb ihn, sich zu Jesu tragen zu lassen, bei Jesu glaubte er Vergebung seiner Sünde zu finden. Diesen Glauben sah Jesus und tat nach diesem Glauben. Mit den Worten: "Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben" absolvirt er den Gichtbrüchigen. Die Schriftgelehrten, die das hörten, hielten dieses Wort für eine Gotteslästerung, weil nur Gott die Sünden vergeben könne, Jesus aber nach ihrer Meinung nur ein Mensch sei. Um diesen Schriftgelehrten nun zu zeigen, daß er nicht ein bloßer Mensch, sondern der Mensch gewordene Gott sei, der die Macht habe, auf Erden die Sünden zu vergeben, heilte er Augenblicks durch sein Machtwort den Gichtbrüchigen auch von seiner leiblichen Krankheit. So konnte sich nun Niemand länger dem Glauben verschließen, daß er Macht habe, auf Erden die Sünden zu vergeben. Das erkannte das Volk; denn es pries Gott, der solche Macht den Menschen gegeben hat.

Lasset uns beten:
Lieber HErr Jesu, wir haben mit Andacht Dein Evangelium gehört. Es erinnert uns an das Psalmwort: "Lobe den HErrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen. Lobe den HErrn, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat; der dir alle deine Sünde vergiebt und heilet alle deine Gebrechen, der dein Leben vom Verderben erlöset, der dich frönet mit Gnade und Barmherzigkeit, der deinen Mund fröhlich macht und du wieder jung wirst wie ein Adler." Wir loben vor allen Dingen, daß Du Macht hast, auf Erden die Sünde zu vergeben. Es ist kein anderes Uebel auf Erden, als allein die Sünde. Die Sünde ist's, die alles Andere, was sonst noch Uebel heißt, hervorruft. Drum ist nur Eins auf Erden, was Not tut, und dieses Eine bist Du. Du vergiebst die Sünde denen, die sie erkennen und nach Deiner Bergebung im Glauben sich sehnen.
Wo Du solchen Glauben siehest, da sprichst Du bald: "Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind Dir vergeben!" Das ist bei Dir kein leeres Wort. Wie Du sprichst, so geschieht's. Gleichwie der Gichtbrüchige, als Du zu ihm sprachst: ,,Stehe auf, hebe dein Bett auf und gehe heim!", alsbald aufstand und heimging. so waren ihm auch, als Du zu ihm sprachst: ,,Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!", alsbald in der Wahrheit die Sünden vergeben. Wir danken Dir, daß Du auf Erden diese Deine Macht ausübest, also daß wir der Vergebung unsrer Sünden gewiß sein können, so oft wir zum Sakrament im Glauben kommen und uns dort an heiliger Stätte gesagt wird: "Deine Sünden sind dir vergeben!" Dein Name sei gelobet in Ewigkeit! Amen.

Das Vater-Unser.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als ...

Darum kannst Du Allen raten; Deine Kraft ist nie zu klein, Es bezeugen's Deine Taten, Die uns aufgeschrieben sein.
Ja, Du bist deswegen kommen, weil Du Dir hast vorgenommen, Aller Menschen Heil zu sein, Und zu retten Groß und Klein.

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